Schon der Holzboden im Eingangsbereich verheisst Gutes. Würden sich in der Stadt, die niemals schläft nicht hunderte Restaurants, Pubs, Imbisse und Fast Food-Ecken mit billigem Laminat-Boden und klebrigen Stuhllehnen befinden, wäre mir dieses besagte, aber dennoch aussergewöhnliche Detail wohl kaum aufgefallen. Stunden hatten wir zuvor damit verbracht uns die Highlights der Stadt von Harlem bis zur Brooklyn Bridge anzusehen und hatten dabei keine Gelegenheit ausgelassen uns nach einem gebührenden Lokal für den Abend umzusehen. Kein leichtes Unterfangen bei dem scheinbar unendlich grossen Angebot an Burger-, Pommes-Frites- und Hot-Dog-Ständen. Nach nun mehr als vier Tagen in dieser quirligen und lauten Stadt - und sicher auch bereits einigen Kilos mehr auf den Rippen – sehnte sich unser Gaumen langsam aber sicher nun aber wieder nach einem altbewährten, bekannten Geschmack. Etwas Frisches, Gesundes, ja gar Gemüse durfte es sein. Sofort schoss uns der Gedanke der leichten, mediterranen Küche durch den Kopf und noch ehe wir uns versahen, betraten wir auch schon die Tür eines der erst besten Ristorante unweit des Time Square. Gerade soweit von unserem Hotel entfernt, wie uns unsere Füsse nach einem fast 12h-Tag noch zu tragen vermochten.
Und da war es – unsere Rettung in der Not – die Osteria al Doge. So klein und unscheinbar der Eingang doch ist, so überrascht dieses Lokal von innen dennoch mit seiner Grösse. Ein Glück, sind wir nicht daran vorbeigelaufen. Ein Aperitivo an der Bar oder zwei? Mit einer Reservation ist man hier sicher gut beraten. Und wer sich ein Plätzchen oben in der Gallerie ergattern kann, geniesst die noch etwas ruhigere und romantischere Atmosphäre, die sie ohnehin schon ist.
Stilsicher und wie angegossen zum eleganten, aber bodenständigen Umfeld, geleitet uns unser Kellner mit Kravatte an unseren Tisch. „Ob das wohl Armani-Anzüge sind, die die da tragen?“, frag’ ich mich. Wohl kaum. Den Italiener wohl irgendwo abgeguckt, werden uns schon fast feierlich und mit einer beträchtlichen Portion Stolz sowohl Grissini, wie auch Brot mit Oliven auf den Tisch gestellt. „Nicht schlecht der Specht“, so denk’ ich mir und lasse das knusprige Gestäng’ mit einer prüfenden Miene die Speiseröhre hinuntergleiten. „Delizioso“ würde man nun wohl in Italien zu sagen pflegen. Die Unförmigkeit des Apérogebäcks lässt allenfalls sogar auf die ungebremste Eigeninitiative des ansässigen Kochs schliessen.
Doch diese freudige Surprise gleich am Anfang unseres Besuches, sollte nicht die einzige bleiben. Der darauf uns präsentiere Insalata mista, welchen wir uns Gott sei Dank teilen, lässt in seiner Vielfältigkeit und Grösse keine Wünsche offen und scheint mir unsere Vitaminen-Speicher wieder randvoll zu füllen. Nach diesem ersten Frische-Schock nach etlichen Tagen, sind unsere Bäuche nun also tatsächlich schon bis zu einem Drittel gefüllt (halbe Portion, wohl bemerkt!).
Weiter im Text geht es nun für mich mit den leckeren, gefüllten Ziegenkäse-Ravioli, während meine Mutter von ihrer Home-Made-Lasagne vor lauter Begeisterung schon völlig aus dem Häuschen ist. Gekonnt im Töpfchen mit einer gehörigen Portion Käse überbacken, dampft ihr Gericht Wölkchen für Wölkchen vor sich hin. Wir wären aber nicht beim richtigen Italien, käme zu diesem Zeitpunkt nicht der Padrone mit der riesigen Peugeot-Pfeffer-Mühle um die Ecke gerast. Die Bremsspur auf dem Boden, die Pfefferkörner auf dem weissen Tisch und schon verschwindet unser Giuseppe auch eben so schnell wieder im Nichts, wie er daraus gekommen war. Diese Erfahrung würde ich als „Learning“ mit nachhause nehmen: in den amerikanischen Restaurants, in denen man etwas auf sich hält, wird einem ordentlich eins gepfeffert… Selbst in Italien selber habe ich selten so viele Riesenmühlen gesehen, wie in dieser Stadt. Doch wer diese Stadt kennt, der weiss genau: hier muss man eben zeigen was man hat.
3/3 des denkbar möglichen Magenvolumens sind nach dem Hauptgang nun also gefüllt. Ein Problem, würde in einem richtigen Ristorante doch garantiert ein leckeres Panna Cotta oder Schoko-Küchchen mit warmem, flüssigem Kern serviert. Gedacht, getan, denkt sich wohl der Dessert-Beschützer und kommt mit einem überdimensionalen Servierbrett balancierend auf uns zu. Nochmal, 3/3 sind bereits gefüllt. Jeder weitere Bissen rächt sich ab jetzt also gnadenlos direkt auf der Hüfte. Andererseits lächeln mir zehn doch so kleine Naschereien zur Krönung eines wundervollen Abends von diesem Tablett entgegen. Man zeigt offenbar auch hier gerne seinen Gästen, was man da alles halt so hat. Ungeheuerlich! So wird es für die schwachen Gemüter unter uns bei diesem Anblick doch fast gar unmöglich, dem zusammenlaufenden Wasser im Munde zu widerstehen. Ob diese Kalorien wohl durch den morgigen Fussmarsch automatisch wieder abtrainiert würden?
Ich denke ja und beisse genüsslich in die leckeren roten Beeren…. mit dem für New York obligaten, riesen Sahnehäubchen obendrauf.

