top of page
Suche

Von den läppischen Preisen in Lappland

sibyllesteger

Aktualisiert: 16. Juli 2024

Von einem Restaurant in einem der entlegensten Gebiete, welches der hohe Norden zu bieten hat, erwartete ich ehrlich gesagt nicht allzu viel. Mit einer Portion Dosenerbsen, Tiefkühlkarotten und allenfalls einem frisch geangelten Fisch aus dem Eisloch - je nach dem, ob die Viecher gerade gewillt waren zu beissen - hätte ich mich wohl schon zufrieden gegeben. Dass wir im tief verschneiten Lappland jedoch auf einen kleinen Gourmettempel für alle Laktose- und Gluten-Intoleranten stossen würden, davon war in meinem Reiseprogramm in keinster Weise die Rede gewesen.
 
Äkäslompolo - Finnisch Lappland. Schon alleine die Ortschaft auszusprechen, bedarf einer geübten Zunge. Der bei sämtlichen Wintersport-Freaks heiss begehrte Ort nahe der Schwedischen Grenze, bietet dem sich nach Ruhe und Abgeschiedenheit sehnenden Touristen eine leckere Bäckerei, einen Supermarkt, eine Tankstelle und seit 2013 nun, wie gesagt, einen kleinen Gourmettempel.
 
Der eisige Wind zieht uns um die Ohren, der kalte Schnee weht uns ins Gesicht und dennoch lassen wir uns von unserem Vorhaben mit Moonboots und in dickster Daunenjacke eingewickelt nicht abbringen, das gesamte „Dorf“ von Äkäslompolo zu durchqueren, um an dessen Ende in das neue Lokal einzukehren. Als krönender Abschluss unserer Ferien lassen wir uns nicht lumpen; so haben wir uns den Rest der Woche selber kreativ von Pasta und Pasta ernährt. Wir sind gespannt, was die Finnische Küche zu bieten hat.
 
Das Lokal teilt sich in zwei Räume. Den rechte, ein kleiner Raum mit überdachter Bar - eher für grosse Gruppen geeignet - und einen etwas behaglicheren linken Teil mit romantischem, von Kerzen vertropften Kamin. Das Besteck steht in einem Topf bereits auf den Tischen und die Serviette, nach Belieben in weiss, grau oder schwarz, darf man sich selber auswählen.
Heute hauen wir finanziell auf den Putz, haben wir uns versprochen. Ich schlage die Karte auf und gönne mir das teuerste Gericht, das ich finden kann. Rentierfilet mit cremig gefülltem Knoblauch-Kartoffel und frischem Wurzelgemüse = EUR33.00. Mehr geht da nicht. Ich bin schockiert. Hatten mir Bekannte zuvor doch nahegelegt mein Essen aus der „günstigen“ Schweiz selber mitzubringen, da Finnland ja so unendlich teuer sei. Verdutzt blicke ich in mein Portemonnaie, aus welchem mich eine grüne Euronote enttäuscht anglotzt. Aber nein, so leicht würde ich mich nicht geschlagen geben. Ich spucke mir mental in die Hände und lehne mich nochmals angestrengt über die Karte. Das wäre ja gelacht, würde Finnland seinem üblen Preisimage nicht endlich hier und jetzt gerecht werden können.
 
Zur Vorspeise wähle ich eine selbst zusammengestellte Kreation aus viererlei Tapas-Häppchen aus. Ich will die nordischen Länder ja an dieser Stelle nicht unnötig für ihr feines Händchen bei der Zubereitung eines vorzüglichen Rentier-Tatars, der Selbstverständlichkeit einen ohnehin schon butterzarten Lachs noch zarter zu machen oder die wohl angeborene Gabe Schalentiere so zuzubereiten, dass man am liebsten eine ganze Schüssel davon über sich ergiessen würde loben, aber irgendwie scheint mir, muss das doch mal gesagt werden. Ein vertrauter Duft lässt mich von meinem Tisch aufblicken. Für einen Moment dachte ich, ich hätte so etwas wie den Geruch von frischem Pizzateig in der Nase gehabt. Aber natürlich war mir bewusst, dass Italien mehrere 1000km südlich von uns lag und sich kein Restaurant der Welt, bei dieser steilen Starter-Vorlage, mit einer Tiefkühl-Pizza die Blösse geben würde… aber tatsächlich: neben mir wird eine hauchdünne, selbst gemachte Riesen-Pizza nach der anderen in den Saal getragen. Ungläubig schaue ich in die Karte - das musste eine Spezialbestellung für die Gruppe sein..! Aber nein, mehrere Variationen von Pizzen zum Preis von EUR12.90. Mich lauste der Affe: Und ich hatte statt auswärts essen zu gehen tatsächlich eine Woche lang in meinen Ferien selber gekocht?!
 
Nun aber zum eigentlichen Knüller des Restaurants: Als gestrafter Laktose-Intoleranter weiss man ja, wie schwierig es ist, sich in einem Restaurant einen Dessert gönnen zu können. Und als Gluten-Intoleranter darf man aufgrund der spärlichen Menü-Auswahl (meist zwischen Salat und Salat) behaupten, macht ein Restaurant-Besuch schon fast gar keinen Spass. Da so auf der normalen Karte vermerkt, dass beinahe alle Gerichte sowohl laktose-, wie auch glutenfrei hergestellt werden, frage ich trotzdem bei all meinen Bestellungen - bis hin zum Cappuccino - nochmals nach. So richtig traue ich der Sache doch noch nicht ganz. Man halte hier fest, dass die Dessert-Auswahl fast nur aus Eis besteht. Eine Rahmglace mit warmem Meringue-Schaum im Oven überbacken - pah! - an so etwas wagte ich in meinen kühnsten laktosefreien Träumen nicht zu denken. Mein Magen schrie schon alleine beim Gedanken daran: Alarm! Alarm! Doch tatsächlich: der nette Herr stellt mir grad noch einmal unaufgefordert eine Karaffe Wasser aufs Haus auf den Tisch und antwortet mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht: selbstverständlich, bis auf die Butter im zartschmelzenden Schokoküchlein, sei jeder Dessert aus laktosefreier Milch.
 
Ich kann nicht aus wirklich objektiver Sicht behaupten, dass dies die beste Beerenglacé war, die ich je gegessen habe. Aber nach unzähligen Jahren ohne Eiscrème zum Dessert, fühlte sich dieses Esserlebnis ganz einfach so an. Keine Frage, dass dieser Nachtisch gleich zwei Mal über meinen Tisch wandern musste. Zufrieden lehnte ich mich danach zurück - happy, nach Apéro, Vorspeise, Hauptgang, Wasser & Wein, Dessert, Café und Digestif beim Lappen schliesslich zu zweit doch noch meinen grünen Lappen und etwas mehr abgeliefert haben zu können.
 
Restaurant Rouhe - Äkäslompolo: Ravintola Rouhe
Ebenfalls für das ultimative Rentier-Burger-Erlebnis ausprobieren: Restaurant Poro – Äkäslompolo: http://www.ravintolaporo.com/
  





 
 

©2024 Sibylle‘s Sinneswelt. Erstellt mit Wix.com

  • Instagram
  • Facebook
bottom of page